Erste-Hilfe-Kurs für Wellensittichhalter

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Wer kennt es nicht? Es ist Samstagnachmittag, alle Vogelpraxen sind geschlossen und dann passiert es: einer der geliebten Wellensittiche braucht dringend Hilfe! Doch wie verhält man sich? Wie greift man das Tier richtig und wie leistet man Erste Hilfe? In einem Erste-Hilfe-Kurs der Vogelpraxis meines Vertrauens erlernten wir die wichtigsten Handgriffe.

Der Anlass zu diesem Kurs liegt schon Monate her: Ich hatte durch Zufall ein dehydriertes und unterernährtes Küken gefunden, das einige Tage zugefüttert werden musste. Von Samstagnachmittag bis Montagabend mühte ich mich redlich ab und brauchte pro Fütterung rund eine Stunde. Als ich nun am Montagabend in der Vogelpraxis neidisch dabei zusah, wie meine Tierärztin mit der Kropfsonde (oder auch Knopfkanüle) innerhalb weniger Sekunden mein hungriges Küken satt machte, fragte ich, ob man so etwas als „Otto-Normal-Tierhalter“ auch erlernen könne. Die Tierärztin griff meine Bitte gleich auf und so wurde der Erste-Hilfe-Kurs im November organisiert. 🙂

Ich wurde in den letzten Tagen von einigen Leser/innen über Facebook, eMails oder diesen Blog gebeten von dem Kurs zu berichten. Nun, theoretisch ist jedem interessierten Wellensittichhalter aus der (Fach-)Literatur bekannt, wie man sein Tier richtig einfängt, hält oder erstversorgt… aber eben nur theoretisch! In der Praxis zeigte sich einmal mehr, wie wichtig es ist, unter fachkundiger Anleitung auch die Basics, wie das Fangen und Halten, zu üben, denn das ist das A und O für alle weiteren Maßnahmen.

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Auch wir haben in einem 1-stündigen Vortrag nochmal in aller Kürze wie wichtigsten theoretischen Grundlagen aufgefrischt. Bei der Gelegenheit habe ich meine Tierärztin zu den gängigsten Fragen aus den Foren gelöchert.

  1. Wellensittiche können beim Tierarzt vor Stress sterben. Das ist falsch, denn kein gesundes Tier stirbt an Stress! Es kann aber durchaus sein, dass Tiere bereits so geschwächt durch ihre Krankheit sind, dass sie daran versterben. Erfahrende und vor allem vogelkundige Tierärzte können die Gefahr eines Kreislaufkollaps bei kranken Tieren aber in der Regel einschätzen und von einer Behandlung, die das Greifen erfordert, absehen und stattdessen kreislaufunterstützende Maßnahmen einleiten. Es ist daher wichtig, immer rechtzeitig und bei ersten Anzeichen von Krankheitssymptomen zum vogelkundigen Tierarzt zu gehen!!!
  2. Petersilie ist giftig. Jein, die Menge macht’s. Petersilie enthält wertvolle Mineralien, Vitamine und Spurenelemente. Da Petersilie aber leicht toxisch, also giftig, ist, sollte man sie nur in Maßen füttern und am besten die Stiele weglassen, da dort das meiste „Gift“ sitzt.
  3. Wellensittiche verbluten sehr schnell. Die gute Nachricht für alle, die ein so zartes Gemüt haben wie ich: Ihr habt in der Regel genug Zeit erst in Ohnmacht zu fallen und dann zu handeln! Durch den Schock, der häufig den Verletzungsvorgang begleitet, gerinnt die Blutung sehr schnell. Selbst Vögel mit angetrennten Gliedmaßen haben daher eine gute Überlebenschance, wenn zügig ein vogelkundiger Tierarzt aufgesucht wird.

Nach einer kurzen Pause kam der Teil des Nachmittags, auf den ich mich seit Monaten gleichermaßen freute und fürchtete: der Praxisteil! Um individueller geschult zu werden, wurden die elf Teilnehmer auf zwei Gruppen aufgeteilt. Da ich bereits während der Pause die toten „Übungsengel“ der Gruppe 1 gesehen habe (die Wellis waren einfach zu süß und sahen aus, wie meine :'( ), wählte ich Gruppe 2. Da ich mich kenne, hatte ich vorsorglich meinen Freund mitgenommen. Er ist Krankpfleger auf einer Rettungsstelle und zudem noch freiwilliger Feuerwehrmann – ich wusste also, dass ich im Notfall beruhigt in Ohnmacht fallen konnte. Wir hatten ausgemacht, dass, wenn immer mir schwarz vor Augen wurde, ich ganz beschäftigt zum Fotoapparat eilen würde, denn durch das Mini-Guckloch (auch Sucher genannt 😉 ) sieht alles nicht mehr ganz so schlimm aus. Es entstanden einge Fotos… natürlich völlig gewollt und geplant! 😛 Spaß bei Seite – ich finde, ich habe mich wacker geschlagen und nach einer Gewöhnungsphase auch alles mitgemacht.

Das Üben an den toten Wellensittichen hat uns auf den Erstfall vorbereitet: Ein Schwarm Kanarienvögel und einige Fundwellensittiche brauchten etwas gegen Trichomonaden per Kropfsonde und ein Spot-on gegen Milben. So hatte unsere Übung gleich einen ernsten Hintergrund.

Die 4 1/2 Stunden sind wie im Flug vergangen! Es war ein hochinteressanter, spannender und lehrreicher Tag gewesen. Zum Abschied bekommen wir von der Vogelpraxis noch einen Erste-Hilfe-Kit mit. Enthalten sind eine Kropfkanüle & passende Einwegspritzen, blutstillende Mittel, Verbandszeug sowie ein leichtes Schmerzmittel (Traumeel) für die Erstversorgung, bzw. um die Zeit des Transports zum Tierarzt zu überbrücken. Wir scheinen artige und aufmerksame Schüler/innen gewesen zu sein, denn unsere Tierärztin regte an, dass man nächstes Jahr wieder einen Kurs mit weiteren Themen machen könnte. Ich kann es kaum erwarten und freue mich auf die Fortsetzung!

Ein herzliches Dankeschön an Frau Dr. Kling und Frau Feder von der Vogelpraxis Dr. Kling für ihre Zeit, Geduld und Mühen sowie diesen aufregenden, lehrreichen und spannenden Erste-Hilfe-Kurs!

PS: Bitte niemals ohne fachkundige Einweisung selbstständig an euren Tieren herumdoktern. Alle erlernten Maßnahmen dienen lediglich dazu die Erstversorgung vorzunehmen und ersetzen keinen vogelkundigen Tierarzt!

6 Gedanken zu “Erste-Hilfe-Kurs für Wellensittichhalter

  1. Ja, ich war auch in der Praxis von Fr. Dr. Kling, da meine pauline plötzlich nicht mehr richtig fliegen könnte. Die Anfahrt hat über eine Stunde gedauert, aber wir fühlten uns gut beraten u behandelt, auch wenn unsere wellidame wohl mit der verminderten flugfähigkeit (gendefekt durch überzüchtung) Leben muss, obwohl er im ersten 3/4 Lebensjahr ein super Flieger war.

  2. Hallo Wencke, ich bin total angetan von dem Erste-Hilfe-Kurs von dem du hier schreibst. Von sowas hab ich ja noch nie gehört. Lass es mich auf jeden Fall wissen, wenn es irgendwo einen Kurs gibt! LG Bianca

    • Hallo, Bianca,
      danke für deine Nachricht 🙂 In der Tat sammle ich schon wieder Interessenten für den Erste-Hilfe-Kurs im April/ Mai in Berlin. Bis 20. Februar kann man sich noch bei mir melden. Wenn ich weiß, wie viele Teilnehmer kommen wollen, mache ich einen Termin mit der Vogelpraxis aus. Nach Verkündigung und Zusage des konkreten Termins ist die Anmeldung verbindlich (vorher nicht). Also melde ich per Mail (s. u. auf der Startseite) bei mir, wenn du Interesse hättest. PS: Solltest du nicht aus Berlin sein, dann lässt sich eine Übernachtung bei Wellifreunden organisieren. LG, Wencke

  3. Wir haben zwar zum Glück einen TA, der auch am Wochenende auf der Matte steht (und bei Bedarf auch zum Welli kommt statt andersrum), aber so ein Kurs würde mich auch sehr interessieren!

    • Unsere Tierärztin ist für Notfälle auch fast immer zu erreichen und ich wohne nur 3 km von der Praxis entfernt. Da habe ich echt Glück – es gibt Vogelhalter, die zum Teil über eine Stunde fahren, um eine Vogelpraxis zu erreichen.
      Ich habe wegen der großen positiven Resonanz auf den Kurs nach weiteren Terminen gefragt. Hast du Lust im Frühjahr (um den April) mitzumachen? Themen und Teilnehmer sammel ich wieder und kläre dann alles weitere ab. Die Anmeldung ist erstmal unverbindlich, da noch keine Termine feststehen. Ich sammel neben dem Erste-Hilfe-Kurs für Wellis auch Teilnehmer für einen Erste-Hilfe-Kurs für größere Sittiche und Papageien. Kurs ist in Berlin. LG Wencke

    • Grundsätzlich ja, nun ist nur leider Berlin von Brüssel aus leider nicht grad der nächste Weg (und alternativ aus dem tiefen Bayern auch nicht), was mich jetzt allerdings nicht abhalten würde. Ich habe Bekannte in Berlin, bei denen ich garantiert eine Nacht unterkommen könnte. Ich habe unseren Zeitplan für das nächste Jahr aber noch nicht und weiß deswegen noch gar nicht, welche Zeiten bei mir gingen. Wenn es zeitlich hinhaut wäre ich auf jedenfall dabei.

      Eine Stunde zum TA finde ich schon hart, v.a. für den dann ohnehin schon angeschlagenen Vogel. Unser Vogel-TA kommt auch bei Neuzugängen zur Eingangsuntersuchung von sich aus lieber ins Haus, obwohl wir auch nur knapp 15 min. hätten mit dem Auto.

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