Typische Vorurteile gegenüber Abgabewellensittichen

… und warum sie nicht stimmen! Aus eigener Erfahrung kenne ich die fünf typischen Vorurteile gegenüber Abgabevögeln. Im folgenden Blogbeitrag schreibe ich über ein persönliches  Herzensthema, setze ich mich mit den häufigsten Argumenten auseinander und hoffe, auf diese Weise den einen oder anderen zum Umdenken bewegen zu können.

Nobody is perfect – auch ich hatte bis vor zwei Jahren keine „second hand“-Wellensittiche. Das war keine böse Absicht, sondern passte einfach altersmäßig nicht. Ich wollte außerdem gesunde Tiere, die lange (bei mir) leben und zudem wusste ich auch nicht genau, an wen ich mich hätte wenden können. Ihr merkt es sicher schon: Ich wäre damals die wohl beste Adressatin meines heutigen Blogbeitrages gewesen! 😉

Kurzer Rückblick: Mitte November 2013 zogen nach einigen Jahren „wellifreier“ Zeit Briciolino und Piumina aus einem Zoogeschäft bei mir ein. Nach dem Eingangscheck stand leider fest, dass die junge Henne starken Trichomonadenbefall hatte, an dem sie trotz Behandlung leider im Januar 2014 verstarb. Zu spät nahm ich die Warnung anderer Wellensittichbesitzer ernst, keine Tiere im Zoohandel zu kaufen, um das Leid nicht noch finanziell zu unterstützen!

Da Wellensittiche, wie andere Vögel auch, nicht einzeln gehalten werden dürfen, kaufte ich wieder eine junge Henne – diesmal aber beim Züchter in der Nähe. Die Zuchtanlage durfte ich mir zwar nicht anschauen, angeblich um die brütenden Tiere nicht zu stören, aber ich vertraute auf die guten Feedbacks im Internet. Das auch Chiocciolina gesundheitlich stark eingeschränkt ist und bis heute eine Dauermedikation braucht, merkte ich erst beim Eingangscheck. Klar, das kann auch dem besten Züchter passieren, dachte ich und glaubte an eine Ausnahme. Im August 2014 wollte ich von zwei auf vier Wellensittiche aufstocken und kaufte wieder bei dem Züchter. Bereits im Laden hatte ich ein komischen Gefühl: Die Zuchtanlage durfte ich wieder nicht sehen, das angebotene Tier schien jünger zu sein als angegeben und trotz der Einschätzung des Züchters, es handle sich um einen Hahn, nannte ich die Kleine Antonella – zurecht, wie die Obduktion ergab, denn nach 10 Tagen verstarb die junge Henne überraschend. Grund war ein multiples Organversagen ausgehend von den Nieren. Recherchen ergaben: Im Schwarm des Züchters lebten und vermehrten sich – wohl wissend – Tiere mit PBFD (verständlich erklärt auf birds-online.de: Psittacine Beak and Feather Disease) und ich war bei Weitem nicht die einzige Kundin, die kranke, bzw. nach kurzer Zeit verstorbene Jungvögel gekauft hatte!

Sehr bestürzt über die beiden Verluste innerhalb eines halben Jahres stand ich vor der Wahl: entweder den Wunsch nach zwei weiteren Schwarmmitgliedern zurückstellen und riskieren, dass beim plötzlichen Tod einer meiner beiden Wellis wieder einer alleine zurückbleibt oder… oder es wagen, Abgabewellensittichen eine Chance auf ein (halbwegs) gutes Leben bei mir zu geben. Ich war an einem Punkt angelangt, wo es eh nicht hätte schlimmer werden können! Denn eines hatte ich gelernt: Zoohandel und Züchter, egal wie gut oder schlecht, sind auch keine Garantie für gesunde Tiere.

Ich möchte weder Zoohandel noch Züchter unter Generalverdacht stellen, aber ich hoffe, dass ich mit meinen Erlebnissen bei dir, liebe Leserin oder lieber Leser, drei Dinge erreichen konnte:

  1. Lass dir kein Tier aufquatschen, mache dir ein Bild von der Zuchtanlage und den Elterntieren, höre auf dein Bauchgefühl und unterstütze keine tierquälerischen Zuchtanlagen durch Mitleidskäufe.
  2. Nimm den Eingangscheck ernst und gebe dafür lieber gleich am Anfang 30-60 Euro beim vogelkundigen Tierarzt aus, anstatt für mehrere 100 Euro alle deine Tiere behandeln zu müssen.
  3. Gib Abgabetieren ein Chance! Dass die gängigsten Vorurteile nicht stimmen, erfährst du weiter unten.

Die fünf typischen Vorurteile gegenüber Abgabewellensittichen:

1. Wellensittiche aus zweiter Hand sind immer krank!
Falsch! Wellensittiche aus zweiter Hand werden mit den unterschiedlichsten Begründungen abgegeben, seltenst aber, weil sie Krankheiten haben. Dennoch sollte man grundsätzlich bei Neuzugängen niemals auf den Eingangscheck beim vogelkundigen (!) Tierarzt verzichten, auch wenn man von den Vorbesitzern zu hören bekommt, das Tier sei gesund!

2. Wellensittiche aus Abgaben sind immer alt und leben nicht mehr lange!
Falsch! Da Wellensittiche im Anschaffungspreis sehr günstig zu erwerben sind, gibt es leider sehr viele Menschen, die sich unüberlegt und spontan ein Haustier kaufen, ohne sich der jahrelangen Verantwortung, die ein Tier mit sich bringt, bewusst zu sein. Daheim entpuppen sich die neuen Familienmitglieder als scheu dem ungeduldigen Menschen gegenüber, sind laut und wirbeln jede Menge Federn, Kot und Körner durch die Wohnstube. Ein anderer „Klassiker“ sind ungewollte Zuchten durch Anbieten eines Nistkastens. Auch scheinen einige Eltern machmal zu vergessen, dass Tiere kein adäquates Spielzeug für Kinder sind. Diese Tiere landen in der Regel bereits ein paar Wochen nach dem Kauf im Tierheim oder werden bei ebay Kleinanzeigen verscherbelt. Natürlich gibt es auch traurige Abgabefälle, zum Bespiel, weil sich Menschen wegen gesundheitlicher Probleme von ihren Lieblingen trennen müssen oder weil der Halter verstorben ist. Abgabewellensittiche gibt es daher in allen Altersklassen: von ganz jung bis hin zum Senior! Am besten wählst du ein Tier, dass vom Alter her zu deinem bestehenden Schwarm passt.

3. Wellensittiche aus zweiter Hand werden nicht mehr zahm!
Falsch! Die Zutraulichkeit eines Wellensittichs liegt nicht am Alter, sondern am Halter… und an seinem Charakter. In meinem Videotutorial „Wellensittiche zähmen in fünf Schritten“ siehst du meinen Icaro, einen älteren Abgabevogel, der innerhalb weniger Wochen mit Ruhe und Geduld kleine Tricks und Übungen gelernt hat und mir jetzt regelmäßig „die Haare schön“ macht, wenn er auf meinem Kopf rumhüpft. Außerdem verlieren Wellensittichbabies nach der Jungmauser ihre „Kükenzahmheit“ und sind in jungen Jahren in der Regel viel ungeduldiger, wilder und beim Training weniger konzentriert als ältere Tiere.

4. Bei Abgabewellensittichen weiß man nicht, wo sie herkommen!
Falsch! Wer seinen Wellensittich aus privater Hand übernimmt, sieht sehr wohl, wie das Tier bisher gelebt hat, wie das Verhältnis zum vorherigen Halter war und was die Abgabegründe sind. Bei Tieren aus dem Zoohandel ist das nicht möglich. Wie das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ und  DER SPIEGEL im April 2015 recherchierten, kommen die meisten Tiere für Zooländen aus dem Ausland, wo sie massenweise zu kommerziellen Zwecken unter schrecklichen Bedingungen vermehrt werden. Natürlich kann auch ein unüberlegt angeschaffter Abgabevogel unter solchen Verhältnissen geschlüpft sein, aber durch die Zeit beim Vorbesitzer bekommt man in der Regel mehr Informationen über das Tier und eventuelle Krankheiten als im Zoohandel oder beim Züchter.

5. Abgabewellensittiche gibt es nur im Tierheim!
Falsch! Die Ausrede, dass man ja gerne einem Abgabetier eine Chance geben würde, das nächste Tierheim allerdingst zu weit weg läge, gilt seit der Erfindung des Internets nicht mehr! Täglich wird ebay Kleinanzeigen deutschlandweit mit neuen Anzeigen geflutet – ein Blick lohnt sich daher immer! Des Weiteren gibt es Vermittlungsforen, über die man per Schutzvertrag Wellensittiche bekommen kann. Als Beispiel seien hier die Seiten www.welli.net (Forum für private Wellensittichhalter) und www.vwfd.de (Verein der Wellensittich-Freunde Deuschland e. V.) aufgeführt. Wer in der Nähe eines Tierheims wohnt, kann selbstverständlich auch dort nach Abgabewellensittichen fragen. Der Vorteil bei guten Tierheimen ist, dass die Tiere oft schon tierärztlich untersucht worden sind und daher Angaben zu eventuellen (chronischen) Krankheiten vorliegen.

Last, but not least gibt es deutschlandweit viele private Pflegestellen von engagierten Papageienhaltern, die ehrenamtlich und auf eigene Kosten Tiere in Not aufnehmen, Eingangschecks sponsorn und Mitfahrgelegenheiten organisieren, um Abgabetieren eine zweite Chance in einem besseren Haushalt zu ermöglichen. An dieser Stelle vielen, vielen Dank an alle, die sich für Abgabetiere aller Art engagieren, die ihre Zeit opfern, denen kein Weg zu weit ist und keine Kosten zu hoch sind!

HINWEIS: Wer Vermittlungswellensittichen helfen will, selber aber keine Tiere aufnehmen möchte, kann zum Beispiel den Verein der Wellensittich-Freunde Deutschlands (VWFD) e. V. beim Shoppen auf amazon & Co. ohne zusätzliche Kosten ganz nebenbei unterstützen. Besucht dazu die Partnerseiten, wie zum Beispiel amazon, über die angegebenen Links und die Partnerorganisationen überweisen pro Bestellung einen Betrag auf das VWFD-Konto. Die Rechnung wird dadurch nicht höher! Setzt daher einfach ein Browser-Lesezeichen auf diese Seite und besucht die VWFD-Partner nur noch über diese Links. Mehr Informationen zu den Spenden erhaltet ihr beim VWFD e. V.


NEU: Wir sind jetzt auch auf Facebook unter: https://www.facebook.com/wellensittiche.blog.videos/ und über folgende Domain zu erreichen: www.wellensittiche-blog.de

Tierhaltung heißt Verantwortung

Tiere haben einen sechsten Sinn, wenn man einen Tierarztbesuch plant. Moment – ich spezifiziere! Während die Jungs aufgrund mangelnder Sensibilität nichts checken, riechen die Mädels schon Tage vorher die Lunte: Chiocciolina tritt in den Hungerstreik, Antonia kriegt nervöse Angstzustände, Violetta bekommt Durchfall… und ich zeige alle drei Symptome!

Die Tage werden länger, draußen grünt und blüht es und eigentlich müsste ich beim Anblick meiner Balkondeko richtig gute Laune haben – eigentlich! Denn immer, wenn man glaubt, jetzt sind alle Wehwehchen ausgestanden, kommt es noch schlimmer. Das sind die Momente, vor denen sich jeder Tierbesitzer fürchtet: Erst ist es nur ein leiser Verdacht, eine kleine Verhaltensveränderung, die einem auffällt, dann gibt das Röntgenbild die traurige Gewissheit: Briciolino hat einen inoperablen Tumor!

Nur wenige Tage zuvor unterhielt ich mich mit Bekannten auf einem Papageienstammtisch über Wellensittiche und meinte noch, dass alle meine Tierchen irgendein Leiden hätten, nur mein kleiner „Zooladen-Hahn“ nicht, obwohl man gerade dort am ehesten eine profitorientierte Zucht unterstellen könnte. Wie es das Schicksal will, fiel mir ein paar Tage später bei Briciolino auf, dass seine Zehen am linken Ständer nicht mehr richtig zugriffen und taub zu sein schienen. Zwar hätte es auch eine Überdehnung oder Verletzung der Bänder sein können, da der Kleine zu diesem Zeitpunkt an diesem Fuß noch beringt war, aber mein Instinkt sagte mir etwas anderes. Es ließ mir keine Ruhe und so motivierte ich in meiner Mittagspause meinen Freund kurzerhand zu einem „Familienausflug“. Da wir eh einen halbjährlichen Check mit Krallenschneiden und Verlaufskontrollen bei Chiocciolina und Violetta planten, wollten wir bei der Gelegenheit nicht nur Briciolino, sondern gleich alle Wellis mit zu unserer Tierärztin nehmen.

Mein perfider Plan war folgender: Mein Freund sollte nicht nur den Transportkäfig vorbereiten, sondern auch alle sechs Wellensittiche einfangen, somit für alle Ewigkeit bei ihnen verkacken und ich komme nach der Arbeit ganz entspannt nach Hause, solidarisiere mich mit meinen armen Tierchen, befreie sie nach dem Tierarztbesuch aus ihrem Elend, spendiere Einmal Hirse für alle! und lasse mich als Heldin feiern!

Ich mach’s nicht spannend: FEHLANZEIGE! Der Chatverlauf mit meinem Liebsten sagt wohl alles…
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…und ihr könnt euch denken, wer mal wieder die Böse sein musste! Beim Tierarzt angekommen, machte ich mich auch da unbeliebt – aber was hatte ich erwartet, so kurz vor dem Ende der Sprechzeit mit sechs Wellensittichen?

Bei Briciolino wurde erstmal der Ring abgenommen und auf Verdacht auf Nierenentzündung behandelt. Eine Woche später wurde dann das Röntgenbild von meinem kleinen Schreihals angefertigt und brachte die traurige Bestätigung: er hat einen Hodentumor. Die Chefin riet mir von einer OP ab, da sich an dieser Stelle eines der Hauptadern befindet und die Überlebenschancen bei nur 20 % liegen. Sie empfahl mir unter Vollnarkose einen Hormonchip setzen zu lassen. Briciolino wurde noch am selben Abend operiert und konnte am Folgetag abgeholt werden. Bis Mittwoch macht der lebhafte Wellensittichhahn noch im Quarantänekäfig den Kolibri und muss sein Baytril trinken, dann darf er wieder zu den anderen. Der Chip muss, wenn er gut anschlägt und das Tumorwachstum stoppt, alle 8-10 Monate ausgetauscht werden.

Seit September war ich in wechselnder Begleitung mindestens einmal im Monat in der Vogelpraxis. Daher ist es mir eine Herzensangelegenheit euch nochmal darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, sich über die häufigsten Krankheitssymptome bei Wellensittichen zu informieren, um RECHTZEITIG einen Tierarzt aufsuchen zu können. Auch möchte ich als Vogelpraxis-Premium-Platin-Kundin darauf hinweisen, dass die Tierhaltung – egal ob Hund, Katze oder eben Wellensittich – ein sehr teures Hobby ist. Bitte überlegt es euch daher vor der Anschaffung, ob ihr in der Lage seid, mehrere 100 Euro im Jahr an Behandlungskosten zu tragen. Tierhaltung heißt Verantwortung! Und die Verantwortung fäng da an, wo der Spaß aufhört und die Tierhaltung Geld kostet!

An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Mutter und bei meinem Vater für die moralische Unterstützung, den Fahrservice und den finanziellen Support in 20 Jahren Wellensittichhaltung bedanken. Vielen, vielen Dank, Mama und Papa! Selbstverständlich gilt mein Dank auch meinem Freund, der weiß, wie wichtig mir meine Tiere sind, im Notfall immer für uns da ist, verstorbene Wellis würdevoll beerdigt, mich in solchen Situationen tröstet und einer Wohnung mit extragroßem und lichtdurchfluteten Wellensittichzimmer zustimmt! Danke an meinen kleinen Bruder, der eine verlässliche Urlaubsvertretung ist und der sich in meiner Abwesenheit gewissenhaft um meine Tiere kümmert. Einen großen Dank auch an das Team der Ziervogelpraxis von Frau Dr. Kling, die im Notfall auch außerhalb der Öffnungszeiten für ihre gefiederten und federlosen Kunden da sind.    

Was tun bei Missständen in Tierhandlungen?

Immer wieder liest man in Facebookgruppen oder Tierforen von Missständen in Tierhandlungen, Baumärkten oder bei unseriösen Züchtern. Die Internetgemeinde regt sich auf – zurecht! Leider bleibt es in den meisten Fällen nur bei ein paar Kommentaren, gehandelt wird aber kaum.

Woran mag das liegen? Mir ist aufgefallen, dass das Aufzeigen von Missständen oft von  Unsicherheit begleitet ist. Es wird primär nach Handlungsempfehlungen gefragt. Mit der Antwort „Melde das dem Amtstierarzt“ sind viele (vor allem jüngere) User zu Recht überfordert und belassen es bei dem Post in der Community. Wenn aber bereits in der Zoohandlung (Baumarkt, Züchter) keine artgerechte Tierhaltung vermittelt wird, wie wird es dann erst bei den zukünftigen Tierhaltern aussehen? Gerade Anfänger in der Tierhaltung sind auf die Empfehlungen der Verkaufsstellen angewiesen und orientieren sich daran. Wie geht man also am besten vor, um den Tieren zu helfen?

  1. Bist du in einer Tierhandlung (Baumarkt/Züchter), in der die Tierhaltung in deinen Augen Grund zur Beanstandung gibt, dann dokumentiere die Missstände als erstes mit Beweisfotos. Am besten mit eingeblendetem Datum und Uhrzeit und vergesse nicht, für eine umfassende Dokumentation auch von außen ein Foto vom Geschäft zu machen.
  2. Erkundige dich bei dem Personal nach dem Ansprechpartner für die entsprechende Abteilung. Ist nur ein einzelnes Tier betroffen (weil es zum Beispiel gesundheitliche Probleme hat), kannst du den Zuständigen darauf hinweisen und ggf. fragen, ob man das Tier außerhalb des Verkaufsraums tierärztlich betreuen kann. Ist die Haltung in der Tierhandlung ansonsten in Ordnung und andere Tiere scheinen nicht beeinträchtigt zu sein, wird man dir in der Regel sogar für den Hinweis danken! Gerade in großen Geschäften ist das Personal oft in Verkaufstätigkeiten eingebunden und kontrolliert daher nicht stündlich alle Käfige.
  3. Möchtest du sachliche Kritik an der Haltungsform üben, so konzentriere dich auf die wesentlichsten Punkte. So ein wesentlicher Kritikpunkt kann beispielsweise ein verdreckter oder leerer Futternapf oder verschimmelte Trinkgefäße sein. Auch nicht-tiergerechtes Spielzeug in den Präsentationskäfigen kann Anlass zur Beschwerde geben. Allgemeine Kritik an dem Verkauf von Tieren in Zoohandlungen sowie emotionale Ausbrüche helfen den Tieren vor Ort nicht!
  4. Wenn du freundlich und sachlich bleibst, dann wird dir in der Regel auch freundlich und sachlich geantwortet. Oft bekommt man die Antwort, dass die Entscheider/Filialleitung nicht im Haus sind/ist und man deine Kritik weiterleiten wird. Bedanke dich und erfrage den Namen des Filialleiters und lasse dir die direkte Emailadresse geben. Auch wenn du dich in diesem Moment unwohl fühlst, denke daran: du bist der Kunde und du entscheidest zusammen mit anderen Tierhaltern über die Zukunft dieses Unternehmens!
  5. Solltest du die direkte Ansprache des Personals vor Ort scheuen, dann geh‘ nicht gleich zu Facebook oder in ein Forum, sondern recherchiere die Emailadresse des Unternehmens im Internet. Unter Impressum findest du alle wichtigen Informationen (Name des Geschäftsleiters/ allgemeine Mailadresse).
  6. Per Mail kannst du nun in aller Ruhe von Zuhause aus dein Anliegen formulieren. Achte auch hier auf sachliche Richtigkeit der Darstellung, füge deine Beweisfotos an und setze eine angemessene Frist zur Erfüllung. Da bei der digitalen Kommunikation Mimik und Gestik fehlen, ist hier besonders auf eine höfliche, sachliche und konkrete Ansprache zu achten. Niemand wird gerne verbal angegriffen! Je sachlicher und konkreter deine Hinweise sind, desto eher werden sie umgesetzt!
  7. Warum ist es wichtig eine Frist zu setzen? Bei verschmutzten Näpfen muss häufig Rücksprache mit der Geschäftsführung gehalten werden. Der einzelne Mitarbeiter kann also nicht eigenmächtig handeln. Eine Frist von 14 Tagen ist also angemessen. Solltest du auf deine Mail keine Antwort erhalten haben, dann schau nach Ablauf der Frist nach, ob die Missstände beseitigt worden sind. Sollte dies nicht der Fall sein, so wiederhole deine Bitte per Mail mit etwas mehr Nachdruck und füge die abermals gemachten Beweisfotos bei. Hat der Laden bereits reagiert, dann bedanke dich. Das zeigt, dass du ein aufmerksamer Kunde bist, der dem Geschäft trotz des anfänglichen Missstandes weiterhin wohlgesonnen ist und macht den Laden auch in Zukunft empfänglich für sachliche Kritik.
  8. Was ist denn nun mit dem Amtstierarzt, an den man sich laut vieler Kommentare im Netz immer wenden soll? Meine Erfahrung zeigt, dass dieser Schritt in den allermeisten Fällen nicht nötig ist. Spätestens nach der zweiten Mail sind die Missstände behoben, denn Tierhandlungen leben nun mal von kaufkräftigen Tierliebhabern und können es sich in Zeiten des Onlinehandels und steigender Vernetzung von Tierfreunden in Foren und Interessengruppen nicht leisten, negativ aufzufallen.
  9. Sollten alle Bemühungen nicht helfen, so kann man als Ultima Ratio den gesamten Schriftverkehr inklusive der Beweisfotos an das zuständige Veterinäramt weiterleiten. Das zuständige Amt muss allen Anzeigen (auch den anonymen Hinweisen) nachgehen. Um die Amtstierärzte nicht voreilig mit (kleineren) Missständen in Zoohandlungen (Baumärkten/Züchtern) zu belasten, versuche bitte über die direkte Kommunikation eine Lösung herbeizuführen.

Wie bereits unter Punkt 8 angedeutet, reicht in den meisten Fällen eine Mail. Die unten aufgeführte Mail ging vor einiger Zeit an eine mir bis dahin unbekannte Filiale einer bekannten Tierbedarfskette. Die Reaktion im Laden war zwar freundlich, aber man fühlte sich nicht ausreichend zuständig, um die Missstände sofort zu beheben. Die Antwort auf meine Mail war freundlich und man versicherte mir, dass man zukünftig auf saubere Trinkgefäße achten und alle Tiere zeitnah tierärztlich untersuchen lassen werde. Auch die Küken habe man aus dem Verkaufsraum genommen und mit dem Muttertier separat gesetzt. Eine Kontrolle zwei Wochen später bestätigte mir, dass zumindest Trinknäpfe ausgetauscht und die Küken aus dem Verkaufsraum genommen wurden. Inzwischen (Stand Dezember 2015) ist der gesamte Verkaufsraum tiergerecht umstrukturiert worden und gibt Neulingen in der Tierhaltung einen ersten Eindruck davon, wie Tiere in Bezug auf Platzangebot, Spielzeug und Sauberkeit gehalten werden sollten*.

* Meine persönliche Meinung zum Thema „Verkauf von Tieren in Zoohandlungen/Baumärkten“ halte ich hier bewusst zurück, da es nicht Gegenstand des Artikels ist.

Diese Mail darf gerne als Vorlage genommen werden, wenn du Missstände in Zooläden/Baumärkten/Züchtern entdeckst.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich war am verkaufsoffenen Sonntag, den 15.6.14, in der Filiale *NAME* in *ORT*. Während meines Einkaufs sind mir zwei Dinge sehr negativ aufgefallen:

1. Die Trinkbehälter der Ziervögel sind komplett verschimmelt. (Schwarzer) Schimmel ist für Wellensittiche und Co. nicht nur gesundheitsschädlich, sondern kann den Verdauungstrakt derart schädigen, dass es für die Tiere lebensbedrohlich sein kann! In den Käfigen warteten bereits offensichtlich kranke und erschöpfte Tiere auf einen Käufer.

2. Mir ist bei den Kanarienvögeln ein Jungtier aufgefallen, das – noch nicht flügge – aus dem Nest gefallen ist und somit nicht mehr von seiner Mutter gefüttert wurde. Zudem haben in dem Käfig andere Vögel dem Muttertier durch permanentes Jagen die Fütterung der Küken im Nest erschwert.

Ich bitte ich Sie – auch im Sinne Ihrer Kunden – die kranken Tiere durch einen fachkundigen Tierarzt untersuchen zu lassen. Darüber hinaus gehören für meisten Tierfreunde Brutkästen und Brutmöglichkeiten grundsätzlich nicht in Verkaufsräume und sprechen daher nicht für die Seriosität Ihrer Filiale!

Auf beide Sachverhalte habe ich den zuständigen Mitarbeiter aus der Ziervogelabteilung angesprochen, der dies an die Filialleitung weiterleiten wollte.

Ich – als langjährige *NAME DES LADENS*-Kundin – erwarte, dass Sie meiner Bitte um Auswechslung der Trinknäpfe bis spätestens Freitag, den 27.6.14, nachkommen und den Vögeln zukünftig keine Brutmöglichkeiten mehr in dem Verkaufsraum bieten. Weitere Schritte behalte ich mir vor.

Mit freundlichen Grüßen,

XYZ