Basiswissen Wellensittiche Teil 5 – Alleine, Paar oder Schwarm?

Im 5. Teil der Serie „Basiswissen Wellensittiche“ geht es um die möglichen Konstellationen (Paar oder Schwarm) sowie die geschlechtliche Zusammensetzung von Wellensittichen.

Diese Überlegungen setzen voraus, dass man sich bereits Gedanken darüber gemacht hat, wie viele Wellensittiche man gerne halten möchte. In der Regel beginnt man als Neuling in der Vogelhaltung mit zwei Tieren (ich schreibe bewusst „beginnt“ 😀 , da viele irgendwann aufstocken, auch wenn sie das vorher nie wollten). Mit einem Paar anzufangen ist auch richtig so, da man sich erstmal an die Lautstärke und die täglichen Putzprozeduren gewöhnen muss. Will man von der Paarhaltung auf einen Minischwarm mit vier Wellis wechseln, so empfehle ich, sich erstmal testweise zwei weitere Tiere dazuzuholen – zum Beispiel in Form einer Urlaubsbetreuung. Natürlich müssen alle Wellensittiche vorher einmal bei einem vogelkundigen Tierarzt vorgestellt werden, um übertragbare Krankheiten auszuschließen. Das lohnt sich besonders bei Leuten, die (über Jahre hinweg) gegenseitig auf ihre Wellis aufpassen und deren Tiere sonst keinen Kontakt zu anderen Vögeln haben.

Wellensittich Weibchen UrlaubsbetreuungIch habe auch mit einem Pärchen angefangen und jedesmal bevor ich um ein weiteres Paar aufgestockt habe, mit den beiden Wellis meiner Freundin (während ihres Urlaubs) getestet, ob ich mit zwei weiteren Wellensittichen klar komme. Auf diese Weise kann man sehr gut seine Platzkapazitäten im Freiflugzimmer und im Käfig sowie seine eigenen Kraftressourcen prüfen.

So, nun zum eigentlichen Thema 🙂 In der ersten Folge „Basiswissen Wellensittiche“ habt ihr gelernt, wie man Männchen von Weibchen unterscheiden kann. Wenn ihr unsicher seid, dann fragt Experten, wie zum Beispiel euren vogelkundigen Tierarzt. In der Paarhaltung ist es nämlich wichtig, dass man ein „echtes“ Pärchen, bestehend aus einem Männchen und einem Weibchen, zusammensetzt. Wer nur zwei Tiere halten kann oder will, sollte daher in Bezug auf das Geschlecht sicher sein. Auch sollten die Tiere miteinander verträglich sein, denn nichts ist schlimmer, als zwei Streithähne zu haben, sodass man sich früher oder später von einem von beiden trennen und in ein neues Zuhause geben muss. Daher rate ich Anfängern zu etwas älteren, bereits bestehenden Pärchen ab circa 12 Monaten (also ab der vollen Geschlechtsreife und Ausprägung des Charakters). Wenn das Pärchen vorher in einem Schwarm gelebt hat, dann kann man sicher sein, dass sie sich mögen und es künftig keine Probleme gibt. Leider tendieren Neulinge in der Wellensittichhaltung dazu sich zum Teil so blutjunge Wellis zu holen, dass man a) noch nicht das Geschlecht sicher bestimmen kann und b) keiner sagen kann, wie sich nach der Jungmauser die Charaktere entwickeln. Später, wenn nach vielen Jahren einer der beiden stirbt, kennt man das Temperament seines Vogels und kann gezielter nach einem neuen Partner suchen. Wellensittiche_Vermittlungen_Berlin_Brandenburg_AbgabeSolche Wellensittiche bekommt man zum Beispiel über private Abgaben auf welli.net, vwfd-forum.de, auf entsprechenden Facebookseiten oder auf unserer Vermittlungsseite (Berlin & Brandenburg). Die ehemaligen Halter können euch auch viel über die Vorlieben und Eigenheiten der Wellis erzählen.

In der Paarhaltung ungünstige Kombinationen sind zwei Weibchen oder zwei Männchen. Es ist zwar weit verbreitet, dass zwei Hennen mitunter sehr garstig zueinander sein können, dass es aber sehr häufig auch bei Hähnen zu ernsthaften Streitigkeiten kommt, ist weniger bekannt. Natürlich gibt es Ausnahmen, bei denen reine Männer- oder Frauengruppen Zeit ihres Lebens wunderbar harmonieren. Dennoch sind dies Einzelfälle, die man immer im Auge behalten sollte.

Wellensittich Männchen UrlaubIn der letzten Zeit bin ich immer häufiger in Vermittlungsfälle involviert, wo es nach einigen Jahren zu unschönen Auseinandersetzungen zwischen zwei Männchen gekommen ist. Während sich zwei Hennen meistens von Anfang an aus dem Weg gehen (und selbst Laien merken, dass da was nicht stimmt), ist bei Hähnen erstmal Frieden und man denkt schnell: Klappt ja toll! Mit der Harmonie ist es aber schnell vorbei, wenn alters- oder krankheitsbedingt das Kräfteverhältnis der Hähne nicht mehr ausgeglichen ist. Das stärkere Männchen lässt dann seinen sexuellen Frust oder seine Aggressionen an dem anderen aus, während sich dieser nicht mehr gegen die Attacken des anderen wehren oder fliehen kann.

Als Begründung für die Haltung von gleichgeschlechtlichen, männlichen Paaren höre ich immer wieder: „Angst vor Nachwuchs“, „Hennen sind zickig“, „Hennen zerstören mehr“ und „Hennen werden nicht zahm“. Aus langjährigen Erfahrungen vieler Halter „echter“ Paare kann ich wohl ruhigen Gewissens im Namen der allermeisten antworten, dass man

a) keine übertriebene Angst vorm Brüten haben sollte (einfach keine Nistmöglichkeiten anbieten!),
b) Hennen nicht zickig sind, sondern ihre Herren am Anfang nur erziehen (musste ich bei meinem Freund schließlich auch… hehe!) Spaß bei Seite, wenn es über Monate Konflikte gibt, dann ist der Partner nicht der Richtige, kann einem aber auch bei zwei Männchen passieren,
c) ok, der Punkt stimmt: Weibchen haben von Natur aus einen stärkeren Nagetrieb als Männchen. Allerdings bevorzugen Wellis Kork und leichtzerstörbares Spielzeug vor Einrichtungsgegenständen; einfach vernüpftige Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten und das Problem ist auch gelöst,
d) Hennen werden genauso zutraulich oder nicht, wie Hähne. Es ist einfach eine Charakterfrage und keine des Geschlechts.

Kleiner Schubs in die richtige Richtung für Zweifler: Weibchen sind außerdem meistens leiser als Männchen 😉

Entscheidet man sich für eine Schwarmhaltung, so ist das richtige Verhältnis zwischen Männchen und Weibchen eine individuelle Abwägungssache und abhängig von der Anzahl echter Pärchen, also Vögel, die fest miteinander verpartnert sind. Ich habe aktuell 12 Wellensittiche: sechs Männchen und sechs Weibchen. Darunter aber nur drei echte Paare . Die anderen sind eher locker freundschaftlich untereinander verbunden. In diesem Fall wäre eine Henne oder ein Hahn mehr also kein Problem. Bei einem Ungleichgewicht der Geschlechter bin ich persönlich mit einem Weibchen mehr als Männchen immer sehr gut ausgekommen, da es besser ist, wenn ein Hahn zwei Hennen füttert, als dass sich eine Henne von zwei Herren dick und rund stopfen lässt.

Wellensittiche WeizengrasWenn wir schon bei persönlichen Empfehlungen sind, dann kann ich aus Erfahrung sagen, dass selbst für kleine Wohnungen die ideale Gruppengröße bei vier Wellensittichen liegt (zwei Männchen und zwei Weibchen). So kann jeder zumindest zwischen zwei Partnern wählen und hat einen Geschlechtsgenossen, der die gleichen Interessen hat. Meine „fantastischen Vier“ (Chiocciolina, Briciolino, Filuzzo und Violetta) haben mit mir gute drei Jahre in einer 1-Zimmerwohnung gelebt und ich habe trotz des geringen Platzes die Entscheidung von zwei auf vier aufzustocken nie bereut. Morgens und abends saßen Chiocciolina und Filuzzo aneinandergekuschelt auf einer Schlafschaukel, während Briciolino seiner Violetta liebevoll den Kopf kraulte. Mittags haben die beiden Jungs entweder getobt oder auf der Gardinenstange ein Schwätzchen gehalten, währenddessen Chiocciolina und Violetta gemeinsam eine Weidenkugel zerlegt oder die Korksitzbrettchen dezimiert haben.

Egal, für welche Kombination du dich am Ende entscheidest und ob du deine Wellis zu zweit oder im Schwarm hälst: ein Nistkasten darf niemals angeboten werden (warum siehe Wellensittiche züchten). Und eines ist auch klar: Wellensittiche dürfen niemals alleine gehalten werden, sondern brauchen immer einen artgleichen Partner!

Nun folgen wie immer Video und die anonyme Umfrage 🙂

 

 

 

Basiswissen Wellensittiche Teil 2 – Überlegungen vor der Anschaffung

In diesem Beitrag geht es um die wichtigsten Überlegungen vor der Anschaffung von Wellensittichen. Bevor man sich Tiere ins Haus holt, muss man sich im Klaren darüber sein, was einen erwartet. Denn ein Tier zu besitzen, bedeutet eine jahrelange Verpflichtung einzugehen.

Je größer das Tier ist, desto länger wird nachgedacht. Bei Kleintieren wie Hamstern, Mäusen oder eben Wellensittichen scheinen viele dies allerdings nicht zu tun. Nicht nur wegen des geringen Anschaffungspreises, sondern auch wegen falscher Vorstellungen wird schnell mal voreilig ein (oder besser zwei) Tiere besorgt. Und bei einem Kleintier kann man ja eigentlich nicht so viel falsch machen oder sich finanziell übernehmen! Oder etwa doch?

Wellensittich Kinder 1997
1997

Man muss sich vor der Anschaffung gründlich überlegen, ob Wellensittiche nicht nur heute, sondern auch noch in 10 oder 15 Jahren zur aktuellen Lebenssituation passen – denn Wellis können so alt werden! Für Kinder sind Wellensittiche unter anderem aufgrund der langen Lebensdauer eher nicht zu empfehlen, gerade wenn man als Eltern keine große Bindung zu den Tieren hat und sich nicht hauptverantwortlich darum kümmern möchte. Mein zweiter Wellensittich, Mäxchen, verdeutlicht sehr gut, was ich sagen will: Ich habe ihn bekommen, als ich in der 4. Klasse der Grundschule gewesen bin und er ist im Alter von 11 Jahren gestorben, als ich bereits im 3. Semester meines Studiums an der Universität war!

Wellensittich männlich mit junger Frau 2007
2007

Glücklicherweise hatte meine Mutter all die Jahre täglich ein Auge auf Mäxchen geworfen, sodass er auch versorgt wurde, als ich draußen Hopse spielte, pubertär bockig im Park abhing oder später zwischen Berlin und Rom pendelte. Aus dem 10 Jährigen Schulmädchen ist eine junge Frau geworden, die kurz vor ihren Auslandssemestern stand und darüber hinaus auch gerne reiste…

Die gleichen Gedanken sollte man sich auch bei alten Leuten machen; es ist keine gute Idee seiner Omi zur Gesellschaft zwei Wellensittiche zu kaufen, wenn man weiß, dass sie kaum selber für sich sorgen kann, vergesslich ist und bald in ein Pflegeheim kommt. Klingt brutal, aber man tut am Ende niemandem einen Gefallen: weder der überforderten Oma und schon gar nicht den Vögeln.

Mit der langen Lebensdauer kommen auch Kosten einher, die bei einem solch kleinen Vögelchen leicht unterschätzt werden. Daher folgt nun ein beispielhafter Kostencheck für zwei Wellensittiche über 10 Jahre.

  • Anschaffungskosten eines Pärchens: ca. 70 Euro / einmalig
  • Artgerechter Käfig: ca. 200 Euro / einmalig
  • Eingangsuntersuchung beider Wellensittiche: ca. 70 Euro / einmalig
  • Futterkosten: ca. 10 Euro / monatlich
  • Einstreu/Sand: ca. 15 Euro / monatlich
  • Spielsachen/Spielplätze: ca. 100 Euro / jährlich
  • Sonderausgaben für Tierarzt, Urlaubsbetreuung, etc.: ca. 200 Euro / jährlich

In 10 Jahren kommen nach dieser (erfahrungsgemäß recht idealistischen) Rechnung rund 6.400 Euro zusammen. Hättet ihr das gedacht? Diese Summe muss man vor der Anschaffung im Kopf haben und berücksichtigen. Gerade bei den Tierarztkosten darf man nicht am falschen Ende sparen. Wer die Verantwortung für ein Tier übernommen hat, muss sich auch in schweren Zeiten darum kümmern und dafür sorgen. Die 200 Euro sind ein Durchschnittswert: Es kann Jahre geben, da zahlt man nichts oder nur mal 15 Euro für die jährliche Kontrolle inklusive einmal Krallenschneiden pro Vogel. Und dann gibt es Jahre, da ist die 200 Euro-Rechnung nur eine von vielen. Für meine Chiocciolina, die chronisch mit den Nieren zu tun hatte, habe ich unzählige Tierarztbesuche durchgemacht sowie eine Dauermedikation, die auch nicht umsonst war. Das Finale war ein Tierarztmarathon nach einem Krampfanfall mit stationärem Aufenthalt, Röntgenbildern und Blutanalysen. Da kamen in einem Monat 1500 Euro zusammen. Oft kann man es vorher nicht kalkulieren, da eine Diagnose den Anstoß zu weiteren wichtigen Untersuchungen gibt. Wenn man schon Jahre lang mit seinem Tier zusammenlebt, dann hofft man auf eine Behandlung und schöpft alle Möglichkeiten aus. Die Entscheidung zur Euthanasie treffen sowohl Halter als auch Tierarzt nur im Fall der medizinischen Aussichtslosigkeit – nicht aber, weil der Halter keine Lust mehr hat oder keine finanziellen Mittel mehr locker machen möchte! Viele Wellensittiche sterben auch, weil die Besitzer nicht zum Tierarzt gehen wollen. Und das ist leider keine Seltenheit!

Natürlich sollte man neben der Kostenfrage noch weitere wesentliche Aspekte beachten:

  1. Wellensittiche brauchen viel Platz für ihren täglichen, besser sogar ganztägigen, Freiflug im Zimmer.
  2. Wellensittiche sind sehr laut und von früh bis spät immer am Brabbeln. Gemütliches Sitzen mit Freunden oder ein Fernsehabend hat also immer eine gewisse Geräuschkulisse, gegen die man lautstärketechnisch ankommen muss.
  3. Die süßen Minipapageien machen eine Menge Dreck und Knabbern gerne alles an – auch Tapeten oder Einrichtungsgegenstände. Tägliches Putzen und Saugen bleibt auch einem „Nur-zwei-Wellis“-Haushalt nicht erspart.
  4. Wellensittiche sind keine Kuscheltiere und nur sehr wenige Individuen fassen Vertrauen zu ihren Haltern und kommen gerne auf die Hand oder sitzen auf der Schulter.

Bei der Überlegung zur Anschaffung sollte man sich daher ehrlich fragen, ob es für einen in Ordnung ist, dass die Wellis vermutlich Zeit ihres Lebens eher Tiere zum Anschauen als zum Spielen oder gar Kuscheln sein werden. Auch das ist ein Grund, weshalb ich Wellensittiche nicht für Kinder empfehle. Es ist aber nicht nur für Kinder, sondern auch für viele Erwachsene sehr frustrierend, wenn man quasi „fliegende Goldfische“ hat, für die man Geld ausgibt und dann nur die Putze spielen darf. Während bei Vögeln von Kindern oftmals die Eltern die Reißleine ziehen und die Tiere (rechtzeitig) abgeben, dümpeln bei Erwachsenen die Vögel oft Jahrelang in einer Ecke vor sich hin. Ob es Scham ist oder infantile Bockigkeit, Verkennen der Situation oder pures Desinteresse – die schlimmsten Vermittlungsfälle kommen in der Regel nicht aus Kinderzimmern!

Anonyme Umfrage nicht vergessen 😉

Basiswissen Wellensittiche


Informationen zu diversen Themen werden heutzutage nur noch selten aus Büchern zusammengesucht, sondern am liebsten über Fernsehen und YouTube-Videos ergooglet. So scheint es auch bei der Wellensittichhaltung zu sein. Diesem Trend möchte ich nun gerecht werden und habe am 11. Mai 2018 meine 10-teilige Serie „Basiswissen Wellensittiche“ auf meinem YouTube-Kanal gestartet.

In meiner langjährigen Erfahrung als Wellensittichhalterin und Bloggerin merke ich immer wieder, dass viele Interessierte und Neulinge in der Vogelhaltung zu wenig über ihre gefiederten Mitbewohner wissen. Daher habe ich mich entschlossen, in zehn kleinen Videos die wichtigsten Aspekte der Ziervogelhaltung zusammenzufassen. Die Videos haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern informieren nur über das „Basiswissen“: Die 10-teilige Serie gibt einen Einblick in die Vogelhaltung und vermittelt das Basiswissen, das jeder Welli-Halter haben sollte! In der ersten Folge geht es um allgemeines Wissen rund um Wellensittiche. Denn um die Bedürfnisse der Tiere zu verstehen, muss man wissen, woher sie kommen und wie sie in der Natur leben.

Folgende Themen sollen in den nächsten Wochen behandelt werden (Änderungen vorbehalten):

  1. Allgemeines rund um Wellensittiche
  2. Überlegungen vor dem Kauf
  3. Käfig & Einrichtung
  4. Freiflug
  5. Zusammensetzung (in der Paarhaltung & im Schwarm)
  6. Wellensittiche erwerben
  7. Eingangsuntersuchung
  8. Futter, Wasser & Giftpflanzen
  9. Hygiene & richtig putzen
  10. Vertrauensaufbau & zähmen

Immer freitags erscheint im Laufe des Nachmittags ein neues Video auf meinem YouTube-Kanal. Also, seid dabei!

Wellensittiche züchten


Schwarze Kulleraugen, große, tapsige Füße und ein plüschiges Gefieder – Wellensittichküken sind einfach goldig und es gibt kaum einen Wellensittichhalter, der bei diesem Anblick nicht dahinschmilzt. Bei vielen Haltern besteht daher der Wunsch selbst einmal kleine Küken zu haben. Aber ist züchten in den eigenen Wänden zu empfehlen?

Erfahrungen in der Handaufzucht? Nein? Dann Finger weg vom Züchten!

Ein Blick in die Suchmaschine genügt, um zu wissen, dass das Thema sehr populär ist. Über 120.000 Einträge (Stand Januar 2018; zum Vergleich „Wellensittiche artgerecht halten“ kommt nur auf 35.000 Einträge! Schämt euch!!!) geben Tipps zur Aufzucht gesunder Küken, zum „selber züchten“ und loben die Zucht als ein „großartiges Hobby“. Dass das keine gute Idee ist und was alles passieren kann, wird leider selten ausführlich beleuchtet. Aber es sollte jedem zu denken geben, dass erfahrene und langjähige Halter das Vermehren in der Regel strikt ablehnen!

Wellensittiche, als opportunistische Höhlenbrüter, vermehren sich unter günstigen Bedingungen sehr leicht. „Günstige Bedingungen“ sind leider nicht gleichbedeutend mit Sauberkeit, guter Haltung, hochwertigem Futter und erfahrenen Haltern, sondern mit dem Angebot an Nistmöglichkeiten. Unglücklicherweise kann man in jedem Zoofachgeschäft oder im Internet ohne jegliche Beratung Nistkästen erwerben.

Keine Ahnung haben, nicht zum vogelkundigen Tierarzt gehen und trotzdem Wellensittiche vermehren wollen? ~Cedrik

Doch warum sind so viele erfahrene Halter gegen das Züchten? Und warum sind es gerade Neulinge und uninformierte Vogelbesitzer, die züchten möchten? Wer schon lange Wellensittiche hält, der weiß um die vielen gesundheitlichen Gefahren für das Muttertier und die Küken: Legenot, Kloakenvorfall, Windeier, Mineralmangel, behinderte oder tote Küken, Spreizbeinchen, agressive Hennen, die ihre Küken regelrecht schreddern oder Gelege anderer Hennen zerstören… die Liste ist lang (eine gute und informative Übersicht findet ihr bei birds-online.de). Von Handaufzucht hat der Otto-Normal-Verbraucher in der Regel keine Ahnung –  ist aber auch egal, da geeignetes Handaufzuchtsfutter eh nicht im Haus ist. Eingangsuntersuchungen bei einem vogelkundigen Tierarzt für die Elterntiere? Fehlanzeige! „Wieso? Die sehen doch gesund aus!“, höre ich immer wieder (toll, dass man das so sehen kann, dann können sich die Tierärzte ja das jahrelange Veterinärstudium sparen!). Leider habe ich es zudem schon oft erlebt, dass unerfahrene Halter „einfach mal“ ein Nistkasten zu ihren zwei Wellis gestellt haben, die sie zur gleichen Zeit von der gleichen Verkaufsstelle geholt haben (Stichwort: „Inzucht bei Geschwistern“). Auch das Argument „ich will ja nur ein einziges Mal Wellensittichbabys haben“ oder die billige Rechtfertigung „Züchter haben ja auch mal angefangen“ von jemandem mit ein paar Monaten Wellensitticherfahrung löst bei mir Würgreiz aus. Ich sage es daher an der Stelle sehr deutlich:

Wir brauchen keine Wellensittiche aus eigener Vermehrung mehr! Und erst recht keine behinderten oder inzestösen Tiere, die den eh schon gesolaten, kränkelden Bestand in Deutschland weiter verschlechtern!

Total süß, der Kleine, oder? Sein Bruder auch. Der ist aber schon tot!

Wellensittiche legen häufig zwei Bruten hintereinander und pro Brut ca. 4-6 Eier; diese werden nicht mit einem Mal „ausgeworfen“, sondern immer mit einem Abstand von 1-2 Tagen. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass auch die Küken einen kleinen Altersabstand haben, der oft dazu führt, dass viele unerfahrene Halter den Zeitpunkt verpassen, zwischen dem jüngsten Küken des ersten Geleges und dem zweiten Gelege den Nistkasten zu entfernen. Mit anderen Worten: Innerhalb von 12 Wochen werden aus zwei Wellensittichen plötzlich 10-14 Tiere! Selbst wenn alles gut geht und die Tiere keine Behinderungen oder sichtbaren Krankheitsanzeichen haben, sollte man sich fragen, ob man nach einem halben Jahr (wenn die Jungmauser vorbei ist) mit so einem großen Schwarm adulter Wellensittiche im Wohnzimmer fertig wird. Der Schmutz, die Lautstärke und die Kosten sind enorm. Der Glaube, selbstgezogene Wellensittiche sind zahmer, ist übrigens falsch: Spätestens nach der Jungmauser interessieren sich die wenigsten Vögel noch für ihre Besitzer, sondern spielen und toben lieber mit ihresgleichen! Das führt mich direkt zu einem oft vernachlässigten Thema, dass mit der Vermehrung im Zusammenhang steht: Was passiert mit den Küken? Ich war in den letzten 12 Monaten unmittelbar in drei Fälle unüberlegter Vermehrung involviert… oder besser gesagt in die Vermittlung ganzer Familienschwärme völlig überforderter Halter! Jeder, der glaubt, mit Wellensittichen ließe sich Geld machen, der irrt. Ich mache seit über einem Jahr kostenlose Vermittlungen gesunder, zum Großteil bereits tiermedizinisch durchgecheckter Tiere und habe große Schwierigkeiten gute Plätze zu finden (und das in einer 3,5 Mio. Stadt mit einem großen Netzwerk an erfahrenen Wellensittich-Freunden!).

Hier die aktuellen Vermittlungsfälle (Stand Januar 2018):

Daher meine Bitte:
1. Lasst eure Wellensittiche nicht brüten! Auch nicht „nur ein einziges Mal“!
2. Sucht euch bei versehentlichen Gelegen noch vor dem Schlüpfen SOFORT Hilfe bei einem vogelkundigen Tierarzt in der Nähe und lasst euch aufklären und beraten sowie bei der Aufzucht fachkundig begleiten!
3. Küken niemals von Vermehrern kaufen – ihr unterstützt nur deren Geschäfte!
4. Küken gibt es massenhaft auch als Abgabe- und Vermittlungswellis im Tierheim, in Wellensittich-Foren und bei privaten Pflegestellen (fragt euren Tierarzt nach seriösen Pflegestellen)! Berliner und Brandenburger können sich gerne auf der Vermittlungsseite von Jessica und mir umschauen.

Rückblick 2017


Das Jahr neigt sich mit großen Schritten dem Ende zu und ich möchte nicht nur die Gelegenheit nutzen, euch ein frohes und gesundes neues Jahr 2018 zu wünschen, sondern möchte mich auch bei euch, liebe Leserinnen und Leser, für ein weiteres gemeinsames Jahr bedanken.

Im Rückblick war 2017 das ereignisreichste Jahr meines Lebens. Im Januar ist mein Freund das Abenteuer eingegangen mit mir und meinen (zu diesem Zeitpunkt noch 12) Wellensittichen zusammenzuziehen. Da das in meiner kleinen 1-Zimmerwohnung schwer auszuhalten gewesen wäre, haben wir uns wohnungstechnisch vergrößert und in der Siedlung eine 2 2/2-Zimmerwohnung gemietet, in der die Wellis jetzt auch ihr eigenes Vogelzimmer (zum Beitrag hier klicken) haben.

Im Januar traten die zwei Vermittlungsküken, Terror-Alma und Luno, ihren Weg in ein neues Zuhause an und im Februar zogen ihre Eltern, Bella und Bonito, aus. Leider ist Bonito nach schwerer Krankheit im Sommer diesen Jahres verstorben.

Auch bei meinen Wellensittichen gab es in den vergangenen acht Monaten viele, schmerzhafte Verluste. Meine Lieblingshenne Chiocciolina verstarb am 13. April 2017. Ihr Partner Filuzzo, zu dem ich ebenfalls eine sehr intensive Beziehung hatte, folgte ihr am 17. Juli 2017. Zu diesem Zeitpunkt war bereits abzusehen, dass Willi-Valentina, die wir als 11-jährige Henne erst im Februar aufgenommen hatten, auch bald sterben würde. In der Nacht zum 29. August 2017 schlief sie in unseren Händen für immer ein. Am 1. Oktober wurde uns ein schwer krankes Notfallküken aus Dresden gebracht, das leider am Folgetag nach dem Tierarztbesuch verstarb. Es war bereits zu stark geschwächt gewesen und litt zudem an PBFD, Macrorhabdiose und hatte – wie die Obduktion ergab – stark vereiterte Luftsäcke. Der kleine Hahn wurde post mortem „Angelino“ (Engelchen) getauft und neben unseren verstorbenen Wellensittichen beigesetzt. Kurz vor Weihnachten mussten wir uns dann auch noch von Venilia verabschieden, deren Lebertumor ihrem Leben am 12. Dezember 2017 ein schnelles Ende bereitete. Es war demnach das schlimmste und verlustreichste Jahr seit dem Beginn meiner Wellensittichhaltung vor über 21 Jahren. Alle kleinen Federchen leben in unseren Gedanken und Herzen weiter <3

Aber nicht alles in diesem Jahr war traurig: Im April ist ein Vermittlungswelli, dessen Leben (und Schnabel) anfangs am seidenen Faden hing, bei uns eingezogen. Das Smeralda, die von der Vogelpraxis „Quasimodo“ getauft worden ist, bleiben sollte, war eigentlich nicht geplant gewesen. Die Heilung des extremen Milbenbefalls dauert allerdings noch immer an und der Schnabel muss von Zeit zu Zeit noch nachkorrigiert werden. Der Hauptgrund, weshalb sie nicht vermittelt worden ist, liegt aber an einem anderen Umstand: unser Dauer-Single Icaro hat sich Hals über Kopf in das süße Mädel verliebt… <3

Wo wir gerade über Vermittlungen reden: sicher ist treuen Lesern bereits die neue Kategorie „Vermittlungen“ aufgefallen, die seit September hier zu sehen ist. Dank der guten Zusammenarbeit mit den beiden Vogelpraxen in Berlin sowie vielen kooperativen Wellensittichhaltern konnten meine Freundin Jessi und ich dieses Jahr wieder für viele Fund- und Abgabewellis ein schönes neues Zuhause finden und erfolgreich vermitteln.

Das emotionalste Erlebnis in 2017 war für meinen Freund und mich die Geburt unseres ersten Kindes am 29. Oktober 2017. Der kleine Cedrik Justus wurde bereits pränatal auf seine zukünftigen Aufgaben als Welliretter vorbereitet, in dem ich die letzten Wochen vor der Entbindung die Tage im Vogelzimmer oder der Vogelpraxis verbrachte. Auch nach der Geburt ging es als ersten Ausflug seines Lebens in die Vogelpraxis.

Im Footer dieses Blogs findet ihr alle Links zu den Social Media-Kanälen.

Bei all den Ereignissen ist es nicht verwunderlich, dass ich in den vergangenen 12 Monaten nicht so viel bloggen konnte. Dennoch habt ihr meinem Blog die Treue gehalten: rund 50.000 Seitenaufrufe und über 14.200 Besucher hatte diese Seite in 2017. DANKE! Auch auf Facebook, Pinterest, Instagram, Google+ und YouTube ist ein großer Anstieg zu verzeichnen.

Hier noch einmal die Top 3 Beiträge aus 2017:

1. Die Mafiabraut

2. Beschäftigungsplan für Wellensittiche

3. Milben bei Wellensittichen

Welche Beiträge haben euch am besten gefallen? Möchtet ihr 2018 mehr informative Sachbeträge (z. B. Milben bei Wellensittichen) oder mehr Geschichten aus meinem Alltag mit meinen Wellensittichen (z. B. Die Mafiabraut)? Stimmt ab!

Auf ein weiteres wellireiches, lustiges und gesundes neues Jahr!

Eure Wencke

Wurzeln und Flügel


Der Plan war so einfach wie genial: Ich hatte mir den Wecker auf Vibrationsalarm kurz vor Sonnenaufgang gestellt, schlug die Decke langsam beiseite, setzte einen Fuß nach dem anderen vorsichtig auf den Boden und schlich auf Zehenspitzen durch den Flur, vorbei an Quarantänezimmer, Vogelzimmer und Wohnzimmer, um in die Küche zu gelangen. Ich griff in den Schrank, um mir ganz leise eine Tasse und einen Teebeutel herauszunehmen. Dann drehte ich mich zum Wasserkocher um – da passierte es! Scheppernd knallte ein Teelöffelchen in das Spülbecken und löste in der gesamten Wohnung ein akustisches Inferno aus.

Heute ist ein ganz besonderer Tag und das nicht nur, weil heute Heiligabend ist. Nein, heute endet auch mein (gesetzlicher) Mutterschutz und das bedeutet, wie man schnell errechnen kann, dass unser Küken genau acht Wochen alt ist. Er ist auch der Grund für meine wochenlange Blog-Abstinenz, denn ganz so leicht wollte der kleine Mann es uns nicht machen. Volle drei Tage musste ich im Kreißsaal leiden, bis man sich endlich für eine Sectio entschied (das Küken und ich hatten inzwischen stark erhöhte Entzündungswerte). In den kurzen Pausen zwischen zwei Wehen musste ich unweigerlich an Legenot denken. Ich kann mir jetzt im entferntesten vorstellen, wie Wellensittichhennen leiden müssen und kann nur an jeden appellieren, schnellstmöglich mit seinem Vogel einen fachkundigen Tierarzt aufzusuchen!

Mein Partner hatte es die drei Tage und die Woche danach auch nicht leicht: Er ist mehrmals täglich zwischen Krankenhaus und Wohnung hin- und hergependelt, da Antonia ihre Aspergillose-Medikamente brauchte und auch die übrigen Wellis sich über frisches Wasser und Futter gefreut haben. Sechs Tage nach der Entbindung durften wir endlich nach Hause und ich konnte es kaum erwarten, meine kleinen Scheißerchen wiederzusehen. Noch nie war ich so lange von meinen Wellensittichen getrennt gewesen! Als ich ins Vogelzimmer kam, merkte ich sofort, dass bei Venilia etwas nicht stimmte. So kam es, dass der erste Ausflug im Leben unseres Sohnes in die Vogelpraxis führte. Kein schlechtes Omen – schließlich habe ich schon pränatal damit angefangen, den künftigen Berufsweg meines Kindes manipulativ zu beeinflussen und war während der Schwangerschaft geschätzt dreimal so oft beim vogelkundigen Tierarzt als bei der Frauenärztin. Obwohl bei dem Termin auf dem Röntgenbild „nur“ Gicht zu sehen war und in den folgenden Wochen auf weiteren zwei Röntgenbildern keine organischen Veränderungen zu sehen waren, sagte mir mein Gefühl, dass wir es mit einem Tumor zu tun hatten. Leider sollte ich recht behalten und meine kleine Venilia verstarb am 12.12.2017 an einem Lebertumor. Sie ist damit der dritte Vogel mit Tumor von fünf Wellensittichen, die ich alleine in diesem Jahr verloren habe. Ich habe zum Thema „Tumor bei Wellensittichen“ in den letzten Monaten mit diversen vogelkundigen Tierärzten in Berlin und Gießen gesprochen sowie Fachliteratur zu diesem Thema gewälzt und werde, sobald es mir die Zeit erlaubt, euch in diesem Blog darüber berichten.

Wer von euch glaubt, dass nun Ruhe eingezogen ist und wir friedlich vorm Weihnachtsbaum sitzen und „Stille Nacht“ singen, der täuscht sich gewaltig. Vor ein paar Tagen habe ich von zwei Familien wieder Wellensittiche zur Urlaubsbetreuung aufgenommen. Aus hygienischen Gründen halte ich die Tiere alle getrennt voneinander. So kommt es, dass ich nun nicht nur im Vogelzimmer meine sechs Pfeifen zu sitzen habe, sondern auch noch jeweils zwei Brüllvögel im Wohnzimmer sowie im Quarantänezimmer (oder auch Wickel-, Kinder-, Arbeits- oder Esszimmer genannt; der Name dieses Zimmer ist flexibel und passt sich den Gegebenheiten an, ganz so wie bei Harry Potter). 😉 Die räumliche Trennung scheint für die Kommunikation unter den Tieren aber kein sonderlich großes Hinderniss zu sein und so wird von Sonnenaufgang bis 23 Uhr durch die Wände hindurch gebrüllt. Mein Sohn, den wir akutell im Schlafzimmer geparkt haben, macht fröhlich mit.

Ich kann momentan nicht sagen, wer uns mehr auf Trab hält: ein acht Wochen altes Baby oder zehn Wellensittiche in drei Zimmern. Gestern Nacht hörten wir ein Scheppern und wildes Flügelschlagen. Mein Freund sprang auf, rannte ins Vogelzimmer: Nix! Weiter ins Quarantänezimmer: Nix! Im Wohnzimmer: Nix! „Jetzt wollen die uns auch noch verarschen!“, brummte er zurück im Bett und warf beleidigt die Decke über den Kopf.

Frühstück fällt bei mir schon seit Wochen aus und ich habe mich damit bereits arrangiert, aber die Hoffnung wenigstens einen Tee in Ruhe zu trinken, gebe ich noch nicht auf. Wer meinem Blog schon länger folgt, der weiß, dass meine Wellis, mit denen ich bis vor einem Jahr in einer 1-Zimmerwohnung gewohnt habe, morgens so lange ruhig bleiben, bis ich aufstehe, dann aber schonungslos loslegen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Ich erinnere mich noch lebhaft an die vielen Wochenenden, an denen ich mit voller Blase still im Bett lag – observiert von meinen Wellis im Käfig gegenüber – und zwischen „noch einer halben Stunde Ruhe“ und „schnell auf Toilette“ haderte. Zwar schlafen wir in der neuen Wohnung nicht mehr im gleichen Zimmer mit den Plüschies, aber wir lassen immer die Türen auf, damit ich im Falle einer nächtlichen Panikattacke schnell ins Zimmer sprinten und Licht anmachen kann. Heute, am Heiligabend, stand ich also besonders früh auf, lange bevor Sohnemann und Wellimonster üblicherweise von mir gefüttert werden wollen, und stehle mich an allen Zimmern vorbei in die Küche.Tja, wie eingangs schon erwähnt, ist mein Plan nicht aufgegangen. Kaum hörten meine Wellensittiche Geräusche in der Küche (jaaa, und vielleicht auch mein leises Gefluche), tschiepten die armen verhungerten Tiere los wie am Spieß. Wie ein Lauffeuer breitete sich der Lärm von Zimmer zu Zimmer aus, bis ich schließlich aus allen Räumen der Wohnung angebrüllt worden bin.

Nachdem gegen Mittag endlich alle satt gefüttert sind und ich alle Volieren, Popos und Zimmer gesäubert habe, sitze ich nun mit Laptop und Tee auf dem Sofa. Die zehn Wellensittiche brubbeln zufrieden vor sich hin und das Baby neben mir schläft den Schlaf der Gerechten. Ihn stört das Zwitschern der vielen Vögel überhaupt nicht, im Gegenteil, der Kleine ist tiefenentspannt. Ganz die Mama eben! Auch von mir fällt die Hektik des Morgens langsam ab und während ich an meinem Tee nippe, entsinne ich mich eines Zitates von Goethe über gute Eltern:

Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Vögel.

Ok, vielleicht hat Goethe „Flügel“ geschrieben. Vielleicht hat er es im metaphorischen Sinne gemeint. Hätte er aber Wellensittiche gehabt, so bin ich mir sicher, stünden die Flügel als Pars pro Totum für Vögel! Denn schließlich gibt es nichts schöneres als an Weihnachten vor dem geschmückten Baum zu sitzen, dem leisen Brubbeln seiner Wellensittiche zu lauschen und gemeinsam „Stille Nacht“ zu singen…

In diesem Sinne ein frohes Weihnachtsfest an euch, meine lieben Leserinnen und Leser, sowie an eure Wellensittiche.

Die Neuzugänge


Wer uns in den Social Media folgt, für den sind die Neuzugänge keine große Überraschung mehr. Oder… etwa doch? Lasst euch überraschen!

Dieses Jahr ist mir das Glück in Bezug auf die Gesundheit meiner Wellensittiche leider nicht hold. Dabei hätte alles so schön werden können in der neuen Wohnung… Wie sich einige sicher erinnern, hatte ich Ende Oktober kurz vor dem geplanten Umzug noch eine Welli-Family, bestehend aus einem Elternpaar und zwei Küken, als Vermittlungstiere bei mir aufgenommen. Ich hoffte zum einen bei den Jungtieren auf eine schnelle Vermittlung und zum anderen auf ein großes Vogelzimmer in der neuen Wohnung – am Ende wollte nichts mehr so kommen, wie geplant: Erst verzögerte sich die Renovierung um zwei Monate. Die Hausverwaltung hatte bei der Wohnungsabnahme VÖLLIG ÜBERRASCHT festgestellt, dass es pro Raum nur je eine Steckdose gibt und keine Telefon-, geschweige den Internetleitungen vorhanden sind. Tja, die alte Dame hätte vor ihrem Ableben ja mal etwas sagen können, lautete der Subtext der Hausverwaltung, als ich mich ein gaaanz klein bisschen „not amused“ gezeigt habe, als man mir verkündete, dass alle Wände aufgerissen und neue Kabel verlegt werden müssen. Ach ja, die Kosten für das Spachteln der Wände, neue Tapeten sowie Bodenbeläge inklusive aller handwerklichen Dienstleistungen und einer neuen Küche habe ich getragen, schließlich gab es einen [*Ironie an*] großzügigen Renovierungsbeitrag [*Ironie aus*] von ganzen 100 Euro pro Raum. Ich möchte an dieser Stelle niemanden mit irrelevanten Details langweilen – etwa, dass ich durch die kurzfristig kommunizierte Verzögerung Ende Dezember um ein Haar obdachlos geworden wäre oder dass ich ungeplant zweieinhalb Monate mit 12 Wellensittichen in einer 25 m² kleinen Ein-Zimmerwohnung ausgeharrte – aber mein Freund und ich nannten unser Wohnungs-Umzugs-Projekt liebevoll „unser Elb-BERchen21 am TXL“.

Terror-Alma

So süß Wellensittichkinder auch sein mögen, Terror-Alma raubte mir den letzten Nerv: von früh bis spät patroullierte sie laut brüllend auf dem Käfigdach umher, piesackte die anderen Wellensittiche oder zerlegte mir vor dem Umzug erst die „gerade wieder“ renovierte alte Wohnung, um dann nach dem Umzug direkt in der „gerade fertig“ renovierten neuen Wohnung weiterzumachen. Ich schäme mich, aber ich gestehe, ich habe einen jener Tage angefangen zu heulen, weil mich 35 g Vogel völlig überfordert haben und zur Verzweiflung trieben.

Terror-Alma provozierte mich absichtlich, das wusste ich. Am Umzugstag stand ich extra früh auf, da ich vor dem Eintreffen meiner Helfern meine Plüschies einfangen und schon sicher in die Transportboxen verladen wollte, bevor die Voliere abgebaut wird. Alle zeigten sich kooperativ – bis auf das dreiste Mistviech. Ganze drei Mal entwischte sie mir außerhalb des Käfigs und grinste mich von der Gardinenstange aus an. Wer unter Zeitdruck an einem Umzugstag einen wilden Wellensittich versucht einzufangen, der kann nachvollziehen, dass ich kurz davor war, sie entweder zu rupfen, ihr den Hals umzudrehen oder sie gleich ganz aufzufressen. Wie Rumpelstielzchen bin ich wild fluchend und mit den Armen fuchtelnd vor der Gardinenstange auf- und abgehüpft. Mit guten drei Stunden Verspätung konnte dann der Volierenabbau beginnen…

Luno

Kaum, dass wir im neuen Zuhause angekommen sind, fand Terror-Alma sofort eine neue Strategie heraus, wie man mich auf die Palme bringt: Im 25 m² großen Wellizimmer standen noch keine Möbel und die Akustik im Raum glich der von Notre Dame. Theoretisch hätten wir gleich wieder ausziehen können, wenn es nach den Nachbarn gegangen wäre. Mit süßen Bildern und verlogenem Rumgesäusel schaffte ich es nach guten drei Monaten Terror-Alma und ihren Bruder Luno möglichst weit weg von Berlin nach Stuttgart zu vermitteln. Das heißt, um ein Haar hätte das Viech dank seiner Ausbrechkünste die Mitfahrgelegenheit ins neue Zuhause verpasst. Eine gute Stunde bin ich mit dem Kescher durch das Zimmer hinter dem Vogel hergesprungen, nachdem sie mir beim Einfangen aus der Voliere entwischt ist.

Bonito und Bella

Einen Monat später, Anfang Februar, bin ich auch die Vermittlungswellis Bella und Bonito, die Eltern von Terror-Alma und Luno, nach rund vier Monaten endlich los geworden… ähm, pardon, ich meine,  ich konnte sie „endlich in ein gutes Zuhause vermitteln“. In weiser Voraussicht lag auch bei ihnen das neue Zuhause am anderen Ende Deutschlands. Vor allem Bella hatte sich sehr gut eingelebt und sofort damit begonnen, das Fachwerkhaus der neuen Besitzerin in seine Bestandteile zu zerlegen. Sorry, Elke…

Nach dem turbulenten Monaten, die hinter uns lagen, freute ich mich, endlich wieder Zeit mit meinem Schwarm genießen zu können und das Vogelzimmer weiter auszubauen. Bereits wenige Tage nach dem Auszug der letzten beiden Vermittlungswellis rutschte ich auf Facebook in eine Vermittlunggeschichte rein. Eigentlich wollte ich maximal Notfall-Zwischenstation für wenige Tage sein, da ich in der neuen Wohnung über ein separates Quarantänezimmer mit kleiner Voliere verfüge. Am 14. Februar 2017 nahm das Schicksal dann seinen Lauf…

Die alte Standardhenne Valentina zog bei uns ein und mit ihr gefühlte Trillionen Megabakterien (Macrorhabdiose), mit denen wir mal mehr, mal weniger stark zu kämpfen haben, die aber für eine tägliche Dauermedikation sorgen. Auf Valentinas Profil könnt ihr mehr dazu lesen.

Während wir bereits mehrere Wochen mit den Megas und einer Sekundärinfektion bei Valentina zu tun hatten, erlitt mein Herzenswelli Chiocciolina Anfang März einen starken Krampfanfall, dessen Ursache nie geklärt werden konnte. Fakt ist aber, dass Chiocciolina von Beginn an aufgrund der Überzüchtung und nicht sorgfältig zusammengesetzter Elterntiere an mehreren Organschäden litt. Mit viel Liebe und etlichen Medikamenten, die zweimal täglich verabreicht werden mussten, gelang es uns, sie wieder aufzupäppeln. Fünf Wochen nach dem Krampfanfall fand mein Freund sie am 13. April 2017 tot in ihrem Käfig. Es brach mir das Herz, da meine kleine Schnecke etwas ganz besonderes gewesen ist. Ihr langjähiger Partner Fili (Filuzzo) tröste mich – oder besser wir uns. Er ließ sich von mir kraulen und suchte meine Nähe. Wir beide hatten von Anfang an eine sehr vertrauensvolle Bindung, aber nach dem Tod seiner Partnerin verstärkte sich diese Beziehung zu dem einstigen Abgabewelli noch.

Zwei Tage später, am 15. April 2017, zog „Milbi“ ein. Der Notfall war rund drei Wochen zuvor einem Bekannten vor die Wohnungstür gestellt worden. Die Kleine war derartig vermilbt, dass unter anderem das Schnabelhorn drohte abzufallen und die Tierärzte kaum noch Hoffnung hatten, dass sie es schaffen würde. Eigentlich sollte Smeralda, die in der Praxis liebevoll „Quasimodo“ genannt worden ist, nur vorübergehend bei uns sein und dann vermittelt werden. Als ich mich zur Aufnahme „überreden“ ließ, wusste ich nicht, WIE schlimm es um ihre Gesundheit stand. Schon beim Abholen aus der Praxis war uns klar, dass sie in diesem Zustand nicht vermittelt werden konnte – auch, weil noch weitere Folgebehandlungen und Schnabelkorrekturen auf uns zukommen würden. Falls sich das Schnabelhorn jemals wieder regenerieren sollte, so würde es sicher ein Jahr oder länger dauern. Die lebhafte Henne hat sich super in den bestehenden Schwarm integriert und darf deshalb auf Lebenszeit bleiben. Smeraldas Geschichte findet ihr hier.

Damit aber noch nicht genug der Tragik: Kaum ist Smeralda eingezogen und zur ersten Schnabelkorrektur musste, wurde bei Fili, der mir recht ruhig vorkam, im gleichen Atemzug ein Nierentumor diagnostiziert. Ich wusste, was das für mein kleines Fusselchen bedeutete: uns blieb nicht mehr viel Zeit!

Während wir Fili palliativ behandelten und umsorgten, meinte Icaro sich auch mal wieder in den Vordergrund zu drängen. Mein kleiner Schluckspecht musste Ende Mai übers Wochenende notfallmäßig behandelt werden, weil er einen halben Baum im Kropf zu stecken hatte. Glücklichweise konnte mit Infusionen und Abführmittel das Schlimmste verhindert werden, sodass wir ihn drei Tage später aus der Vogelpraxis wieder abholen konnten und um eine Kropf-OP herumgekommen sind.

In der Zwischenzeit ging es Filuzzo immer schlechter, sodass wir am 16. Juli beschlossen, ihn am Folgetag erlösen zu lassen. In der Nacht zum 17. Juli schlief mein kleiner Mann in seiner Transportbox für immer ein. Ich bin dankbar, dass er mir diesen schwersten aller Gänge zum Tierarzt erspart hat. Nach vier Monaten und vier Tagen ist Fili endlich wieder mit seiner Chiocciolina vereint. <3

Bei diesen vielen Tierarztbesuchen und vor allem der permanenten Sorge um mindestens einen meiner Wellensittiche, bin ich erst jetzt dazu gekommen, über die neuen Schwarmmitglieder, Valentina und Smeralda, zu berichten. Es ist unnötig zu erzählen, dass Valentina aktuell wieder einen schlimmen Megas-Anfall hat und wir gestern mal wieder beim vkTA waren (Nebenbefund „Tumor“ inklusive)… Dieses Jahr ist es mir schon ein paar mal passiert, dass ich auf dem Weg nach Hause versehendlich an der Haltestelle der Tierarztpraxis ausgestiegen bin, anstatt noch zwei weitere Stationen mit der Bahn zu fahren. Tja, die tückische „Macht der Gewohnheit“. Auf der anderen Seite: Zuhause ist für mich wohl immer da, wo meine Wellensittiche sind!

Zwischen drin hatte ich dieses Jahr immer wieder Kurzzeitgäste, Vermittlungswellis und Wellis von Bekannten, deren Tiere Medikamente bekommen mussten (darin sind mein Freund und ich inzwischen Profis). In zwei Wochen bekomme ich noch fünf Urlaubsgäste für insgesamt drei Wochen – die Plüschies geben sich hier hintereinander die Klinke in die Hand bis Anfang September, dann ist Schluss für dieses Jahr!

Oder doch nicht? Trotz unserer Entscheidung vorerst den eigenen Schwarm nicht weiter aufzustocken, machen wir Mitte Oktober noch eine einzige Ausnahme: Seit Ende Januar kündigt sich bei uns nämlich ein kleines Küken an.

Beim Blick auf das erste Ultraschallbild prustete ich heraus: „Es hat einen Schnabel!!!“ Meinen Lachanfall und die vorwurfsvollen Blicke meines Freundes in meine Richtung, die zu sagen schienen „Jetzt übertreibst du aber maßlos mit deiner Papageienliebe“, verunsicherten die arme Frauenärztin sichtlich. Es kommt wohl nicht so häufig vor, dass Frauen so sich so herzlich über KÜKENFÖRMIGE Embryos mit Schnabel freuen.

Ab Mitte September wird für unseren Spatz dann das Quarantänezimmer hergerichtet und wenige Wochen später werde ich dann eine „richtige“ (Welli-)Mama!

Milben bei Wellensittichen


Milbenbefall und dessen schwerwiegende Folgen werden von vielen Haltern unterschätzt. Genau wie bei anderen Krankheiten sollte der betroffene Wellensittich zeitnah einem vogelkundigen Tierarzt vorgestellt werden.

Milben (auch: Grabmilben oder Räudemilben genannt) kommen leider recht häufig bei Wellensittichen vor. Im Anfangsstadium sind die Schäden der 0,3 x 0,4 mm kleinen Parasiten für Laien kaum zu erkennen. Daher wird zum Leidwesen der Tiere oft zu lange mit der Behandlung gewartet. Auch unterschätzen einige Halter die gesundheitlichen Gefahren, die von Milbenbefall ausgeht. Es ist daher zwingend notwendig, die Behandlung durch einen vogelkundigen Tierarzt durchführen zu lassen. Hausmittelchen, eigenes Herumprobieren mit Tipps aus dem Internet oder Sprays aus dem Zooladen fügen dem betroffenen Vogel nur weiteres Leid zu.

1. Woher kommen Milben?

Milben sind ektogene Parasiten, die in der Haut des Vogels leben und dort auch ihre Eier legen. Sie können sich über Monate oder gar Jahre am Vogel aufhalten, ohne dass Symptome sichtbar sind. Durch Stress, Fehlernährung, mangelnde Hygiene oder andere Krankheiten kann die Milbeninfektion klinisch werden, d. h. ausbrechen. Daher ist es extrem wichtig, dass jedes neu erworbene Tier einem vogelkundigen Tierarzt zu einem Eingangscheck vorgestellt und prophylaktisch gegen diese Parasiten behandelt wird.

2. Woran erkenne ich Milben?

Milbenbefall erkennt man im Anfangsstadium an den Unregelmäßigkeiten auf dem Schnabelhorn, die durch die Bohngänge der Milben verursacht worden sind. Im weiteren Verlauf bilden sich schwammartige Wucherungen auf der Wachshaut, dem Schnabelhorn, um die Augen, an den Ständern (Füßen) und im Bereich der Kloake. Also überall dort, wo Federn nicht die Sicht auf die Milben verhindern.

3. Wie behandele ich Milben?

Milben kann der Tierarzt durch die Spot-on-Methode behandeln. Dazu wird der in einer Trägersubstanz gelöste Wirkstoff Ivermectin zwei- bis dreimal im Abstand von je einer Woche auf die Nackenhaut des Wellensittichs geträufelt. Der Wirkstoff wird über die Haut aufgenommen und tötet so zuverlässig alle Milben am gesamten Körper ab. Im Kompendium der Ziervogelkrankheiten (Hrsg. Kaleta & Krautwald-Junghans) wird vor Hausmittelchen und Herumprobieren mit folgenden Worten gewarnt: „Wegen der zu geringen Effektivität und zur Schonung des betroffenen Vogels sollte das früher übliche lokale Betupfen der Räudewucherungen mit Paraffinöl, Petroleum oder ähnlichem unterbleiben.

Dringend abzuraten ist auch von der eigenmächtigen Behandlung durch sogenannte Milbensprays oder Milbenstrips aus dem Zooladen. Neben der Wirkungslosigkeit der enthaltenen Substanzen schädigen Sprays dem empfindlichen Atmungs- und Lungensystem der Vögel. Behandlungsunterstützend sollte man als Halter lieber sein Hauptaugenmerk auf die Käfig- und Spielplatzhygiene legen: neben der täglichen Reinigung des Käfigs während der Behandlungsdauer, sind alle Spielsachen und Sitzgelegenheiten auszutauschen und/oder zu desinfizieren (im Backofen bei 100° bis 150° C – bitte keine chemischen Mittel nehmen, da Rückstände gesundheitsschädlich für die Wellensittiche sind!).

Auch sollte man bei Verdacht auf Milben nicht zu lange warten – der Parasitenbefall geht nicht von alleine weg, sondern wird schlimmer und es drohen Sekundärinfektionen durch die offenen Stellen in der Haut. Im schlimmsten Fall kann es sogar soweit kommen, dass der Wellensittich seinen Schnabel verliert euthanasiert werden muss.

Dieser Vogel konnte noch rechtzeitig gerettet und erfolgreich behandelt werden – auch wenn das Schnabelhorn wahrscheinlich nie wieder ganz regenerieren wird.

Für diesen kleinen Wellensittich kam jeder Hilfeversuch zu spät – er starb nur wenige Tage nach seiner Rettung auf der Pflegestelle.

Diesen Blogbeitrag gibt es auch als Video auf meinem YouTube-Kanal

Ich danke allen Beteiligten für ihre Fotospenden und ihren Einsatz im Tierschutz:

  • Jessica K.-S.
  • Anna M.
  • Furkan P.
  • J. Helmbrecht
  • Nathalie K.
  • Tanja
  • Steven D. Kuhns

Quellen:

  • Kaleta / Krautwald-Junghans, Kompendium der Ziervogelkrankheiten, Schlütersche; Auflage: 4., überarbeitete Auflage (2011)
  • Pees,Leitsymptome bei Papageien und Sittichen: Diagnostischer Leitfaden und Therapie, Enke; Auflage: 2 (2010)
  • Quinten, Ziervogelkrankheiten, Verlag Eugen Ulmer; Auflage: 2 (2007)

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Kämpferherz


Das Leben ist unfair. Da denkt man, dass man dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen hat und dann erwischt es einen eiskalt. Dabei sah es so gut für uns aus!

Gestern war wieder einer der Tage, von denen ich in den letzten zwei Jahren bereits genug hatte. Nach Piumina, Antonella, Pulcina und Violetta ist nun auch mein Seelenvogel Chiocciolina von uns gegangen. Einfach so. Völlig unerwartet. Ich stehe noch unter Schock!

Die kleine Schwarmchefin hatte es nie leicht gehabt: Sie stammt aus einer verantwortungslosen Zucht und kam bereits mit mehreren organischen Vorerkrankungen am 23. Januar 2014 im zarten Alter von sechs Wochen zu mir. Obwohl die Prognosen von Anfang an sehr schlecht standen, eine Dauermedikation verordnet worden ist und halbjährliche Röntgenbilder zur Routine gehören, hielt mein kleines Kämpferherz tapfer durch und genoss das Leben in einem immer größer werdenden Schwarm.

Chiocciolina fand im August 2014 mit Filuzzo einen ruhigen und treuen Partner, der ihr auch in schweren Stunden beistand, sie fütterte und ihr Köpfchen kraulte. Er war es auch, der sie die zwei Wochen in der Vogelpraxis nicht alleine ließ, nachdem Chiocciolina am 7. März 2017 morgens mit einem sehr starken Krampfanfall am Käfigboden lag. Es war Glück im Unglück, dass ich sie gesehen habe, da in aller Früh beim Füttern und Säubern der Voliere noch alles in Ordnung zu sein schien. Kurz vorm Verlassen der Wohnung hatte ich nochmal ins Vogelzimmer geschaut. Erst dachte ich, sie hätte sich mit ihren Krallen im Seil verheddert, da sie so merkwürdig zuckte. Als ich am Käfig angekommen war, stürzte das kleine Welli-Mädchen zu Boden und krampfte dort. Ich schrie und weinte, da ich dachte, sie würde sterben. Mein Freund kam angelaufen und setzte Chiocciolina in die Transportbox, wo sie sich weniger verletzen konnte. Es war kurz vor 7 Uhr und die erste Vogelpraxis öffnete um 9 Uhr. Wie durch ein Wunder schaffte es mein kleines Kämpferherz trotz der zweistündigen Kämpfe durchzuhalten.

In der Praxis angekommen, wurde sie intensiv betreut, bekam Infusionen und Medikamente. Wir wussten schon aus vorherigen Untersuchungen, dass viele Organe Probleme hatten. Nach Tagen des Hoffens und Bangens wurde Chiocciolina zwei Wochen später mit einem Haufen Medikamenten entlassen. Obwohl sie zweimal täglich zur Medikamenteneingabe eingefangen werden musste und insgesamt sechs Medikamente verabreicht bekommen hatte, machte sie im Freiflug das Vogelzimmer unsicher, badete, schredderte Weidenkugeln und spielte in den Wühlkisten. Ganz vier Wochen und zwei Tage durften wir nach der Entlassung aus der Vogelpraxis noch zusammen verbringen, bis sie am 13. April 2017 mittags überraschend tot von meinem Freund aufgefunden worden ist. Kurz zuvor war er noch im Zimmer und es schien alles in Ordnung gewesen zu sein. Mein Freund zeigte mir später am Abend die Stelle, wo Chiocciolina lag, und erzählte mir, dass ihr Köpfchen leicht zur Seite zeigte – gerade so weit, um Filuzzo zu sehen, der auf seiner Lieblingsschaukel saß. Es gab vorher keine Anzeichen und auch im Einstreu sind keine Spuren eines Todeskampfes zu sehen. Wir hoffen sehr, dass die Kleine nicht lange leiden musste.

Die Nachricht meines Freundes traf mich in der Mittagspause auf Arbeit wie ein Schlag: Chiocciolina, mein kleiner Babybaustellenwelli, war immer mein Liebling gewesen. Sie war außerordentlich intelligent, bekam alles, was sie wollte, war frech und wenn sie Blödsinn gemacht hat, wusste sie genau, wie sie zu gucken hat, damit ich nicht schimpfe. Und sie war der hübscheste Wellensittich, den ich jemals hatte: In der Sonne glitzerten ihre Federn violett und ihre Augen waren immer offen und neugierig. Am meisten liebte ich es, wenn sie entspannt da saß und vor sich hin zwitscherte. Ihr glockenhelles Stimmchen war leicht von den anderen zu unterscheiden und beim Piepsen, hüpfte der ganze Köper mit. Der Anblick war einfach zu süß <3

Drei Jahr und drei Monate durften wir nur zusammen verbringen. Die meiste Zeit davon dicht an dicht in meiner Ein-Zimmer-Wohnung, was auch die enge Bindung erklärt. Nach dem Umzug in die größere Wohnung hatte ich so sehr gehofft, dass Chiocciolina noch den Außenbereich auf der Terrasse erleben kann, der für diesen Sommer geplant ist. Der Wunsch ist uns beiden nicht erfüllt worden.

Irgendwie schaffte ich es am Gründonnerstag halbwegs gefasst den Arbeitstag zu überstehen. Auf dem Weg nach Hause ging ich in ein Gartencenter, um Blumen für das Grab zu besorgen. Als ich das Center betrat und den Refrain des Songs High von der Lighthouse Family hörte, war es entgültig um mich geschehen und meine Tränen liefen mir in Strömen über das Gesicht.

And at the end of the day
you will remember the way
we stayed so close till the end
we’ll remember it was me and you
cause we are gonne be forever you and me
you will always keep me flying high in the sky of love.

Lighthouse Family – High (1997)

Im Gartencenter kennt man mich schon: Nachdem ich vor zwei Jahren das halbe Center in den Wahnsinn getrieben habe mit der Bestellung einer ungespritzten Bio-Korkenzieherhasel und sich letztes Jahr der Mitarbeiter nach der einstündigen Beratung über Möhrensamen mit „viel Grün und wenig Möhre“ beinahe mit dem nächstbesten Tonuntersetzter erschlagen hätte, wunderte man sich dort nur noch wenig darüber, dass ich gestern schluchsend und heulend vor den bunten Übertöpfen stand.

Mit einem „Tränenden Herz“ für Chiocciolinas Grab und je einer Blume für Pulcina und Violetti ging ich wenig später nach Hause. Obwohl schlechtes Wetter angesagt war, brach die Wolkendecke plötzlich auf und das goldene Abendlicht begleitete mich zusammen mit dem Glockengeläut der nahgelegenen Kirche bis zur Haustür. Drinnen war es ungewöhlich still: Das fröhliche Gezwitscher, dass mich sonst bereits an der Wohnungstür empfängt, war erstummt. Alle saßen bereits auf ihren Schlafschaukeln. Nur eine Schaukel war noch frei und wird es für immer auch bleiben…

Lebe wohl, meine kleine Prinzessin <3